Das Projekt ENABLElocal untersucht die Nutzung von biodiversitätsbezogene Daten in lokalen Entscheidungsprozessen der Landnutzung und des Naturschutzmanagements. Durch die Durchführung von Fallstudien in jedem der Partnerländer Deutschland, Tschechien und Schweden wollen wir eine Reihe von terrestrischen Lebensraumtypen und Managementpraktiken abdecken.
Was die Fallstudiengebiete verbindet, ist ihr hoher Wert für die biologische Vielfalt. Die ausgewählten Lebensraumtypen beherbergen zahlreiche Arten, darunter in der Region endemische oder gefährdete Arten, und werden gleichzeitig extensiv oder sogar intensiv für die Produktion genutzt. Die Fallstudienregionen beinhalten auch lokale soziokulturelle Praktiken, die die Erhaltung eines natürlichen Zustands der spezifischen Lebensraumtypen unterstützen. In allen Fallstudien besteht ein Netzwerk von Akteuren, die sich mit Naturschutz und Landnutzung befassen, das bereits bis zu einem gewissen Grad etabliert ist.
Das Ausmaß, in dem Biodiversitätsdaten ausgewertet und für die Entscheidungsfindung genutzt werden, ist jedoch in den Fallstudiengebieten unterschiedlich. Die lokalen und staatlichen Naturschutzbehörden unterscheiden sich in ihrem Aufgabenbereich und ihren Zuständigkeiten, und die nationalen Einrichtungen für das Biodiversitätsmonitoring befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Endsprechend reichen die Entscheidungsprozesse im Rahmen des Projekts von der Umsetzung von lokalen Managementmaßnahmen bis hin zur großräumigen Landschaftsplanung. Das Projekt zielt darauf ab, die Gründe für die Nutzung oder Nichtnutzung von Biodiversitäts(monitoring)daten für die Entscheidungsfindung in diesen verschiedenen Bereichen zu untersuchen.
Die Fallstudien unterscheiden sich ebenfalls hinsichtlich ihres tatsächlichen Schutzstatus: Die betrachteten Lebensräume umfassen sowohl Schutzgebiete nach nationalem Recht oder im Rahmen von EU-Natura 2000 als auch private Flächen ohne formellen Schutzstatus. In der tschechischen Fallstudie handelt es sich beispielsweise um ein UNESCO-Biosphärenreservat, dessen Umwandlung in einen Nationalpark diskutiert wird, während in der deutschen Fallstudie der Lebensraumtyp selbst durch Landes- und Bundesrecht geschützt ist. In Schweden variiert der Grad des Schutzes und umfasst sowohl EU-Natura-2000-Gebiete als auch ungeschützte Flächen. Wobei Teile des Untersuchungsgebiets ein Kandidat für ein neues UNESCO-Biosphärenreservat sind. Dementsprechend unterscheiden sich die Landnutzungsintensität und die Ziele der Akteure in den einzelnen Fallstudien erheblich. Diese unterschiedlichen Handlungsspielräume und Governance-Rahmungen bieten die Möglichkeit, allgemeine Schlussfolgerungen für die Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Biodiversitätsdaten in der EU zu ziehen und Empfehlungen für transnationalen Monitoringinfrastrukturen zu entwickeln.
In jeder der Fallstudienregionen arbeiten wir mit Akteuren zusammen, die an der Entscheidungsfindung im lokalen Landnutzungs- und Naturschutzmanagement beteiligt sind. Die Teilnehmer wurden über bestehende Netzwerke eingeladen, an einer Reihe von Workshops und Interviews teilzunehmen (sogenannte „Living Labs“). Diese partizipative Forschung zielt auf unmittelbare transformative Effekte in den lokalen Fallstudienumgebungen ab, indem gemeinsame Visionen und Strategien für eine besser informierte Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Biodiversitätsdaten entwickelt werden. Die Living Labs werden dazu beitragen, relevante Daten für lokale Fragestellungen und Ziele in einem koproduktiven Prozess zu identifizieren und zu mobilisieren.
Gegen Ende des Projekts sollen die in den Fallstudien gewonnenen Erkenntnisse auf nationaler Ebene und darüber hinaus verbreitet werden. Durch den Vergleich der drei Fallstudien wollen wir Empfehlungen für Politik und Forschung auf nationaler und transnationaler Ebene entwickeln, um die lokale Relevanz von Biodiversitäts(monitoring)daten zu erhöhen.
Diese Fallstudie fokussiert auf den Landschaftstyp der Streuobstwiesen, eine extensive Obstbaumkultur, die für die Region des Rhein-Main-Gebiets, aber auch in ganz Hessen und Süddeutschland, praktiziert wird. Streuobstwiesen werden als immaterielles Kulturerbe von der UNSECO gelistet und verfügen über hohe Artenvielfalt und eine Vielfalt an Nutzungsformen. Das Biodiversitätsmonitoring der Behörden fokussiert bisher nur bedingt auf diesem Landschaftstyp. Die Fallstudie beinhaltet Flächen der kreisfreien Städte (Frankfurt am Main und Darmstadt) und umgebende Landkreise in Südhessen. Die Verzahnung mit regionalen, landesweiten und bundesweiten Biodiversitätsmonitoring-Infrastrukturen wird ebenfalls durch Einbeziehung der zuständigen Behörden und Institutionen in den lokalen Dialogworkshops gewährleistet.
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
Florian D. Schneider
+49 69 707 6 919 71
florian.schneider@isoe.de
www.isoe.de
Die Fallstudie fokussiert auf das Landschaftsschutzgebiet Křivoklátsko, das zum größten Teil in der Mittelböhmischen Region gelegen ist. Diese Landschaft ist überwiegend von Wald und Steppenökosystemen bedeckt und ist seit 1977 UNESCO Biosphärenreservat. Seit über 10 Jahren werden kontroverse Diskussionen über eine Konversion des Gebiets zum Nationalpark geführt. Die Flächen des Křivoklátsko bieten Lebensraum für eine große Zahl von Tier- und Pflanzenarten – mit 610 geschützten Bäumen und über 150 Vogelarten. Die vorherrschende Landnutzung im Landschaftsschutzgebiet sind Waldbau und Landwirtschaft (sowohl intensiv als auch kleinbäuerlich) sowie in geringerem Umfang Industrieanlagen (historische Glashütten). Das Gebiet liegt nahe zur Landeshauptstadt Prag, was es zu einem bedeutenden Naherholungsgebiet macht. Dieser Tourismus steht bisweilen im Konflikt mit örtlichen Naturschutzzielen. Auch die Landflucht der Stadtbevölkerung sowie die Landaufgabe durch die ortsansässige Bevölkerung aufgrund steigender Grundstückspreise und mangel an Arbeitsplätzen spielen eine wichtige Rolle. Die Fallstudie involviert Praxisakteure, die zunehmend auch diese sozialen und kulturellen Veränderungen in ihre ökologischen Entscheidungsprozesse einbeziehen müssen.
CzechGlobe – Global Change Research Institute
of the Czech Academy of Sciences
David Stella
+420 704 672 946
Stella.d@czechglobe.cz
Die Fallstudie fokussiert auf ein Netzwerk von Grünlandflächen auf sandigen Böden mit einer außerordentlich hohen Vielfalt von Pflanzen- und Insektenarten. Diese Gebiete werden vielfältig genutzt und bieten materielle und kulturelle Werte, wie etwa als extensives Weideland, für die Gewinnung von Sand, als Truppenübungsplatz und für Outdoor-Aktivitäten. Der Status der einzelnen Flächen variiert zwischen Naturschutzgebieten, Natura2000-Gebieten und keinem Schutz. Renaturierungsmaßnahmen wurden in verschiedener Form umgesetzt, etwa im Rahmen des Life-Projekts SandLife und dem Artenschutzprogramm der schwedischen Umweltschutzbehörde zum Schutz bedrohter Arten und deren Habitate. Das Habitatnetzwerk wurde außerdem von 2020-2022 von der schwedischen Regierung gefördert um die Lebensraumqualität für die gefährdetsten Wildbienenarten des Landes zu verbessern. Die schwedische Umweltschutzbehörde, die acht Provinzialregierungen, auf deren Gebiet das Habitatnetzwerk liegt, und weitere Praxispartner sind in dieser Fallstudie involviert.
ULUND – Lund University, Biological Institution,
Division of Biodiversity & Evolution
Maria von Post
+46708 419 517
maria.von_post@biol.lu.se